Die Druckwirkung von Gasen kommt auf mikroskopischer Ebene durch Stoßprozesse der Gasteilchen zustande!

Einleitung

Im Artikel Druck wurde der Druckbegriff bereits ausführlich erläutert. Der Druck p bestimmt sich als Quotient von Kraft F und Fläche A und beschreibt somit die Kraftverteilung an einer Grenzfläche („Kraft pro Flächeneinheit“):

\begin{align}
\label{p}
&\boxed{p =\frac{F}{A}}~~~~~[p]=\frac{\text{N}}{\text{m²}}=\text{Pa}~~~\text{(Pascal)} \\[5px]
\end{align}

Mit Hilfe des Drucks von Gasen werden bspw. in den Zylindern von Verbrennungsmotoren Kräfte auf die Kolben ausgeübt. Diese Kolben sind über Pleuelstangen mit der Kurbelwelle verbunden und wandeln die Linearbewegung in eine Rotationsbewegung und treiben damit die Räder an. Die Druckwirkung von Gasen spielt also eine sehr wichtige Rolle im Alltag und in der Technik. Wie lässt sich nun aber das Zustandekommen einer Druckwirkung in Gasen anschaulich erklären?

Mikroskopische Interpretation

Die Teilchen eines gasförmigen Stoffes können sich innerhalb eines abgeschlossenen Volumens relativ frei bewegen (siehe auch Artikel Teilchenmodell). Die untere Animation zeigt illustrativ die freien Luftteilchen in einem Zylinder. Dabei prallen die Gasteilchen ständig mit der umgebenden Zylinderwand oder mit der Fläche eines eingebrachten Kolbens zusammen.

Animation: Mikroskopische Interpretation des Gasdrucks

Beim Aufprall auf die jeweiligen Grenzflächen verursachen die Teilchen somit eine Stoßkraft – analog zu Tennisbällen, die gegen eine Wand geworfen werden. Die Druckwirkung in Gasen kommt auf mikroskopischer Ebene also durch Stoßprozesse der darin enthaltenen Teilchen zustande, die auf angrenzende Flächen prallen.

Mikroskopische Interpretation des Gasdrucks
Abbildung: Mikroskopische Interpretation des Gasdrucks

Da die Teilchen in ihrer Bewegung keine bevorzugte Flugrichtung aufweisen, sind die Stoßvorgänge an alle Grenzflächen gleichmäßig verteilt. Der Druck innerhalb eines Gases ist somit ebenfalls gleichmäßig verteilt und damit räumlich konstant.

Zufällige Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen eines Gases
Abbildung: Zufällige Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen eines Gases

Die Druckwirkung von Gasen kommt auf mikroskopischer Ebene durch Stoßprozesse der Gasteilchen zustande! Aufgrund der ungeordneten Bewegung ist die Druckwirkung in alle Richtungen gleich!

Makroskopische Interpretation

Auf makroskopischer Ebene machen sich diese mikroskopischen Stoßprozesse durch eine Kraftwirkung bemerkbar und können entsprechend als Kraft pro Fläche („Stoßprozesse pro Fläche“) charakterisiert werden, d.h. als Druck.

Für den betrachteten Fall, bei dem ein Gas in einem Zylinder mit einem beweglichen Kolben verschlossen ist, kann man den im Inneren herrschenden Gasdruck relativ einfach bestimmen. Hierzu ist lediglich entgegen des Gasdrucks eine gleich große Gegenkraft F aufzubringen, mit dieser der Kolben in Stellung gehalten wird. Die von Hand aufgebrachte Kraft entspricht jener Kraft, die das Gas mit seinem Druck effektiv auf die gegenüberliegende Seite des Kolbens ausübt (sog. Überdruck). Offensichtlich übt das Gas diese Kraft F auf die Kolbenfläche A aus, sodass sich der effektive Gasdruck pe gemäß Gleichung (\ref{p}) ermitteln lässt:

\begin{align}
\label{pp}
&p_e =\frac{F}{A} \\[5px]
\end{align}

Ermittlung des effektiven Gasdrucks (Überdruck) in einem Zylinder
Abbildung: Ermittlung des effektiven Gasdrucks (Überdruck) in einem Zylinder

Bei einem Kolbendurchmesser von 5 cm (dies entspricht einer Kolbenfläche von 19,6 cm²) und einer aufzubringenden Kraft von 100 N, erhält man einen effektiven Gasdruck von 50930 Pascal. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die im Alltag üblichen Gasdrücke zahlenmäßig sehr groß sind. Deshalb hat es sich in der Praxis durchgesetzt, Gasdrücke in der „handlicheren“ Einheit bar anzugeben. 1 bar entspricht dabei 105 N/m². Demzufolge beträgt der effektive Gasdruck im oberen Beispiel rund 0,5 bar Überdruck.

\begin{align}
&\boxed{1 \text{bar} = 10^5 \frac{\text{N}}{\text{m²}}} \\[5px]
\end{align}

Im Artikel Druck und Temperatur finden sich nähere Informationen zur Bestimmung des Gasdrucks mithilfe der kinetischen Gastheorie.

Beachte, dass der mit der oben beschriebenen Methode ermittelte Gasdruck nach Gleichung (\ref{pp}) bereits den Umgebungsdruck berücksichtigt und deshalb auch als Effektivdruck oder Überdruck bezeichnet wird. Es handelt sich also um jenen Druck, den das Gas effektiv (d.h. unter Berücksichtigung des Umgebungsdrucks) auf den Kolben ausübt. Der absolut vorhandene Gasdruck im Zylinder wird um den Betrag des umgebenden Luftdruck größer sein (Absolutdruck genannt). Mehr Informationen zum Einfluss des Luftdruck finden sich in den nachfolgenden Abschnitten wieder.

Der Umgebungsdruck (Luftdruck)

In der Realität geht die Druckwirkung von Gasen nicht einseitig vom eingeschlossenen Gas im Zylinder aus. Auch auf der gegenüberliegenden Zylinderseite befinden sich in der Regel Teilchen, die einen gewissen Druck ausüben. Im einfachsten Fall sind dies die Luftteilchen der umgebenden Luft, die ihrerseits einen Druck auf den Kolben ausüben. Man bezeichnet diesen Druck außerhalb des betrachtenden Systems auch als Umgebungsdruck. Im Falle von atmosphärischer Luft wird dieser Druck auch einfach als Luftdruck bezeichnet.

Einfluss des Umgebungsdrucks
Abbildung: Einfluss des Umgebungsdrucks

Als Umgebungsdruck bezeichnet man den außerhalb eines Systems vorhandenen Druck. In der Regel ist dies der umgebende Luftdruck!

Auf Meereshöhe beträgt der Luftdruck rund 1 bar (genau: 1,01325 bar). Aufgrund des Einflusses der Gravitation nimmt der Luftdruck mit zunehmender Höhe mehr und mehr ab. Pro 100 Meter sinkt der Luftdruck jeweils um etwa 1,2 % (mehr Informationen hierzu im Artikel Barometrische Höhenformel).

In der Regel verspüren wir den Umgebungsdruck allerdings nicht, da im zeitlichen Mittel gleich viele Teilchen von der einen Seite wie von der anderen Seite auf uns einwirken. Dies ist auch der Grund weshalb auf einen Kolben, der frei in die Luft gehalten wird, keine effektive Kraft von den Luftteilchen ausgeübt wird. Im zeitlichen Mittel prallen nämlich gleich viele Teilchen von der einen Seite wie von der anderen Seite auf die Kolbenfläche. Die Druckwirkung ist somit auf beiden Seiten gleich groß und halten sich ohne weiteres Zutun das Gleichgewicht.

Gleichgewichtszustand
Abbildung: Gleichgewichtszustand

Es gibt aber auch Situationen, wo wir Menschen den umgebenden Luftdruck sehr wohl wahrnehmen. Bspw. bei der Autofahrt oder in Flugzeugen, wenn in kurzer Zeit große Höhenunterschiede überwunden werden. Da sich in diesen Situationen der äußere Luftdruck mit der Höhe ändert, entsteht kurzzeitig ein Druckunterschied zwischen Gehörgang („Außenseite“) und Mittelohr („Innenseite“). Das Trommelfell wölbt sich und man verspürt dies als typischen Druck auf den Ohren – „die Ohren gehen zu“. Erst wenn sich das Innenohr an den neuen äußeren Luftdruck angepasst hat, verschwindet der wahrgenommene Druck auf die Ohren wieder.

Überdruck

Wird der oben betrachtete Kolben, der zunächst frei in die Luft gehalten wurde, wieder in einen Zylinder eingefasst und auf der linken Seite zusätzliche Teilchen eingepumpt, so wird das Gleichgewicht zwischen linker und rechter Kolbenseite zerstört und es kommt zu einer effektiven Kraftwirkung.

Überdruck
Abbildung: Überdruck

Es stoßen nun mehr Teilchen von links gegen den Kolben und verursachen eine resultierende Kraft nach rechts. Da in der linken Kammer der Gasdruck nun über dem Umgebungsdruck liegt, spricht man auch von Überdruck. In diesem Zustand muss der Kolben mit einer zusätzlichen Kraft in Stellung gehalten werden. Würde der Kolben hingegen losgelassen werden, so würde dieser durch den größeren Druck in der linken Kammer nach rechts gedrückt werden.

Als Überdruck bezeichnet man denjenigen Druckanteil der über dem Umgebungsdruck liegt!

Animation: Überdruck

Herrscht bspw. in der linken Kammer ein Überdruck von 4 bar, so bedeutet dies, dass der Gasdruck auf dieser Seite um insgesamt 4 bar höher liegt als auf der rechten Umgebungsseite mit 1 bar. Insgesamt beträgt der Absolutdruck auf der linken Seite somit 5 bar („Umgebungsdruck plus Überdruck“).

Als Absolutdruck bezeichnet man denjenigen Druck der aufgrund der stattfindenden Kollisionen der Gasteilchen tatsächlich als Gasdruck vorhanden ist!

Da der Überdruck also bereits den entgegenwirkenden Umgebungsdruck berücksichtigt, entspricht der Überdruck dem effektiv vorhandenen Druck, den ein Gas auf eine Grenzfläche ausübt. Der Umgebungsdruck kompensiert sozusagen ein Teil des Absolutdrucks, sodass effektiv nur der Überdruck wirksam ist. Mit diesem Überdruck pe lässt sich dann relativ einfach die von einem Gas effektiv auf eine Kolbenfläche A ausgeübte Kraft F berechnen:

\begin{align}
&F = p_e \cdot A \\[5px]
\end{align}

Zusammenhang zwischen Überdruck und Absolutdruck
Abbildung: Zusammenhang zwischen Überdruck und Absolutdruck

Diese Kraft entspricht der Kraft, die effektiv an der Kolbenstange anliegt und die für technische Zwecke tatsächlich genutzt werden kann.

Da man anhand des Überdruck also direkt auf die effektive Kraftwirkung eines Gases schließen kann, ist es in der Technik häufig üblich den Überdruck anstelle des Absolutdrucks anzugeben. Dies ist auch der Grund weshalb die Angabe eines Reifendruck in der Regel als Überdruck erfolgt – es handelt sich um jenen Druck, den die eingeschlossene Luft effektiv auf den Reifen ausübt. Bei null bar Überdruck wäre der Druck im Reifen genauso groß wie der Umgebungsdruck außerhalb und der Reifen würde nicht in der Lage sein ein Auto anzuheben. Ein Absolutdruck von 1 bar in einem Reifen hätte also keinen wirklichen Effekt. Deshalb nutzt man als effektiv wirksame Größe den Überdruck.

Unterdruck

Eine effektive Kraftwirkung lässt sich nicht nur durch ein Zupumpen an Teilchen erzeugen, sondern auch dadurch, dass man Teilchen absaugt. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Unterdruck, da der Gasdruck in der linken Kammer dann unter dem Umgebungsdruck liegt. Auch in diesem Zustand muss der Kolben mit einer zusätzlichen Kraft in Stellung gehalten werden. Wird der Kolben hingegen losgelassen, so wird dieser durch den größeren Druck in der rechten Kammer nach links gedrückt.

Unterdruck
Abbildung: Unterdruck

Als Unterdruck bezeichnet man denjenigen Druckanteil der unter dem Umgebungsdruck liegt!

Animation: Unterdruck

Liegt bspw. der Unterdruck bei 0,8 bar, so bedeutet dies, dass auf dieser Seite der Druck um 0,8 bar unterhalb des Umgebungsdruckes der rechten Seite mit 1 bar liegt. Dies macht folglich ein Absolutdruck von 0,2 bar der in der linken Kammerhälfte („Umgebungsdruck minus Unterdruck“).

Zusammenhang zwischen Unterdruck und Absolutdruck
Abbildung: Zusammenhang zwischen Unterdruck und Absolutdruck

Beachte, dass der Druck letztlich durch Stoßprozesse begründet ist und dieser folglich nur eine Druckkraft aufbringen kann, niemals eine Zugkraft! So führt bspw. der Satz „Der Kolben wird durch den Unterdruck in der linken Kammer nach links gesogen“ zu grundsätzlichen Missverständnissen über die tatsächlich ablaufenden Vorgänge auf mikroskopischer Ebene. Korrekt müsste der Satz demnach lauten „Durch den größeren Druck in der rechten Kammer wird der Kolben nach links gedrückt„. Es existiert folglich kein negativer Druck im Sinne einer Zugkraft, d.h. der Druck ist immer positiv.

Wie bereits im Zusammenhang mit dem Überdruck ausführlich erläutert, so handelt es sich auch bei dem Unterdruck um jenen effektiv vorhandenen Druck, der in Zusammenhang mit einem Gas entsteht (bzw. genau genommen, um den effektiven Druck, den in diesem Fall die Umgebung verursacht!)

Vakuum

Im oberen Beispiel hat das Absaugen der Teilchen auf der linken Kammerhälfte zur Erzeugung eines Unterdrucks auch Grenzen. Denn schließlich kann nur bis maximal dahin abgesaugt werden, wo alle Teilchen restlos entfernt sind. Man bezeichnet diesen Zustand, in dem ein Volumen keine Teilchen mehr enthält, als Vakuum.

Vakuum
Abbildung: Vakuum

Als Vakuum bezeichnet man die Abwesenheit von Teilchen in einem Volumen!

Da keinerlei Teilchen in einem solchen Vakuum mehr vorhanden sind, geht von der entsprechenden Kammerhälfte folglich auch keine Druckkraft mehr aus. Die Druckwirkung auf den Kolben kommt damit ausschließlich durch die umgebenden Luftteilchen auf der rechten Seite des Kolbens zustande.

Man hat also durch das restlose Absaugen der Teilchen nicht wie häufig angenommen eine unendlich große „Sogwirkung“, sondern die Kraftwirkung ist in diesem Fall durch den Umgebungsdruck auf der gegenüberliegenden Kolbenseite fest vorgegeben und damit begrenzt.

Aufgrund der Abwesenheit von Teilchen und der hierdurch nicht vorhandenen Kraftwirkung, beträgt der Absolutdruck im Vakuum folglich 0 bar. Dies bedeutet, dass auf Meereshöhe maximal ein Unterdruck von 1 bar erzeugt werden kann, bis in jenem Punkt folglich alle Teilchen abgesaugt sind. Dieser begrenzte Unterdruck führt auch bspw. dazu, dass Saugpumpen theoretisch nur bis maximal 10 Metern Tiefe Wasser fördern können. Mehr hierzu im Artikel Trinkhalmprinzip.

Schematische Darstellung des Absolutdrucks, Überdrucks, Unterdrucks und Vakuum
Abbildung: Schematische Darstellung des Absolutdrucks, Überdrucks, Unterdrucks und Vakuum