Je nachdem in welchem Maße die beiden Komponenten im festen Zustand ineinander löslich sind, ergeben sich unterschiedliche Arten von Legierungen.

Einleitung

In vielen technischen Bereichen werden hohe Ansprüche an die verwendeten Werkstoffe gestellt, wie bspw. in der Luftfahrttechnik. So existieren in Brennkammern von Triebwerken teilweise Temperaturen von über 2000 °C. Die dort verwendeten Werkstoffe müssen also nicht nur hohen mechanischen Belastungen sondern auch thermischen Beanspruchungen standhalten.

Einfache Metalle werden diesen Ansprüchen oft nicht gerecht. Aus diesem Grund werden in der Regel mehrere Metalle zusammen eingeschmolzen, um nach dem Erstarren teilweise völlig neue Eigenschaften zu erhalten. Man bezeichnet solche Gemische aus zwei oder mehreren Metallen auch als Legierungen. Auf chemischer Ebene zeichnen sich Legierungen somit durch ihre metallischen Bindungen aus.

Stoffgemische mit metallischem Charakter werden als Legierungen bezeichnet!

Um gezielt Einfluss auf die gewünschten Werkstoffeigenschaften zu nehmen, sind vertiefte Kenntnisse über die Legierungsbildung von Metallen nötig. Die Grundlagen der Legierungsbildung sollen deshalb in diesem und in den nächsten Kapiteln vermittelt werden. Aufgrund der Komplexität werden dabei ausschließlich Zweistofflegierungen betrachtet, d.h. Legierungen die lediglich aus zwei verschiedenen Stoffen bestehen (auch als binäre Systeme bezeichnet). Die Gesamtheit der möglichen Mischungskonzentrationen einer Zweistofflegierung wird auch als Legierungssystem bezeichnet.

Zweistofflegierungen (binäre Systeme) sind Legierungssysteme, die aus zwei Komponenten bestehen!

In der Regel werden Legierungen durch gemeinsames Einschmelzen und anschließendes Erstarren erhalten. Hierzu wird im flüssigen Zustand einem Basisstoff A eine bestimmte Menge eines Legierungselementes B hinzulegiert. Im Flüssigen Zustand sind die Atome der beteiligten Stoffe dabei nur schwach aneinander gebunden. Im Allgemeinen lassen sich die Stoffe im flüssigen Zustand deshalb relativ gut durchmischen.

Schematische Darstellung der Komponenten einer Legierung
Abbildung: Schematische Darstellung der Komponenten einer Legierung

Beim Erstarren kann diese Löslichkeit dann entweder vollständig erhalten bleiben (Mischkristalllegierung) oder auch vollständig verloren gehen (Kristallgemischlegierung). Auch Teillöslichkeiten der Stoffe können beim Erstarren auftreten (Gemisch aus Mischkristallen).

Je nach Löslichkeit der beiden Komponenten A und B im festen Zustand können Legierungen somit in drei unterschiedliche Typen eingeteilt werden.

Einteilung der Legierungen
Abbildung: Einteilung der Legierungen

Mischkristalllegierung

Bleiben die beiden Komponenten A und B einer Legierung im festen Zustand ineinander völlig löslich, so werden die Atome der Legierungskomponente B im Wirtsgitter der Basiskomponente A eingebaut. Die Atome A und B bilden dann eine gemeinsame Gitterstruktur. Man bezeichnet einen solchen Kristallaufbau aus gemischten Atomen als Mischkristall (auch als feste Lösung bezeichnet).

Eine vollständige Löslichkeit der Legierungskomponenten im festen Zustand wird auch als Mischkristalllegierung bezeichnet („feste Lösung“)!

Die Komponenten einer Mischkristalllegierung verhalten sich im übertragenen Sinne wie eine Mischung aus Wasser und Alkohol, bei der sich die Alkoholteilchen ebenfalls in der Wasserstruktur vollständig lösen lassen.

Schematisches Gefüge einer vollständigen Löslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand
Abbildung: Schematisches Gefüge einer vollständigen Löslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand

Grundsätzlich können sich in einem Mischkristall die B-Atome während der Kristallisation auf zwei unterschiedliche Weise im Wirtsgitter des Basisstoffes A anlagern. Dementsprechend kann zwischen Substitutionsmischkristallen und Einlagerungsmischkristallen unterschieden werden. Diese sind in den entsprechenden Kapiteln näher erläutert.

Substitutionsmischkristall

Nehmen die Legierungselementatome B während der Kristallisation reguläre Gitterplätze im Wirtsgitter A ein, so spricht man von einem Substitutionsmischkristall (auch als Austauschmischkristall bezeichnet). Der Vergleich zwischen dem Wirtsgitter vor dem Einschmelzen und dem gemeinsamen Kristallgitter nach dem Abkühlen zeigt, dass dabei einzelne A-Atome einfach gegen B-Atome ausgetauscht (substituiert) wurden.

Schematische Struktur der Komponenten eines Substitutionsmischkristalls
Abbildung: Schematische Struktur der Komponenten eines Substitutionsmischkristalls

Im Allgemeinen besitzen die beiden Legierungskomponenten unterschiedliche Atomradien und chemische Eigenschaften. Deshalb kommt es in der Realität zu einer Gitterverzerrung innerhalb der einzelnen Mischkristalle. Die Gitterverzerrung nimmt mit der Anzahl der substituierten Atome zu und führt schließlich dazu, dass die Basisatome nicht in unbegrenztem Umfang durch Legierungselementatome ersetzt werden können. Die Löslichkeit des Legierungselementes im Basisstoff ist deshalb im Allgemeinen begrenzt (Teillöslichkeit der Komponenten im festen Zustand).

Lediglich unter der Voraussetzung, dass das Legierungskomponente B im Vergleich zur Basiskomponente A

  • denselben Gittertyp,
  • ähnliche Atomradien (weniger als 15 % Abweichung) und
  • ähnliche chemische Eigenschaften aufweist,

können die Legierungsatome B über den gesamten Mischungsbereich hinweg praktisch „unbemerkt“ die regulären Gitterplätze im Wirtsgitter des Basisstoffes A einnehmen. Somit kann letztlich jede Legierungskonzentration lückenlos durch einen solchen Substitutionsmischkristall hergestellt werden.

Schematische Struktur der Komponenten einer lückenlosen Mischkristallreihe (Substitutionsmischkristall)
Abbildung: Schematische Struktur der Komponenten einer lückenlosen Mischkristallreihe (Substitutionsmischkristall)

Eine über den gesamten Mischungsbereich hinweg vorhandene Löslichkeit wird auch als lückenlose Mischkristallreihe bezeichnet, d.h. eine vollkommene Löslichkeit der Komponenten im festen Zustand. Das Legierungssystem Kupfer-Nickel bildet im Prinzip eine solche lückenlose Mischkristallreihe.

Ein Legierungsystem welches sich über den gesamten Konzentrationsbereich eine vollständige Löslichkeit der Komponenten im festen Zustand aufweist, wird auch als „lückenlose Mischkristallreihe“ bezeichnet!

Die oben genannten Bedingungen, um einen lückenlosen Mischkristall zu bilden, werden auch als Hume-Rothery-Regeln bezeichnet.

Einlagerungsmischkristall

Sind die Atome B des Legierungselementes gegenüber den Atomen A des Basisstoffes relativ klein (Durchmesserverhältnis maximal 0,4), so existiert eine weitere Möglichkeit der Atomanordnung im Gitter. Aufgrund ihrer geringen Größe können die Legierungsatome B dann auch auf den Zwischengitterplätzen des Wirtsgitters eingelagert werden.

Schematische Struktur eines Einlagerungsmischkristall
Abbildung: Schematische Struktur eines Einlagerungsmischkristall

Eine solche Mischung eines Kristalls aus eingelagerten Atomen auf Zwischengitterplätzen bezeichnet man auch als Einlagerungsmischkristall. Aufgrund ihrer dominanten Rolle bleiben die regulären Gitterplätze dabei ausschließlich den Basisatomen des Wirtsgitters vorbehalten.

Da in einem Einlagerungsmischkristall nur die Zwischengitterplätze zur Verfügen stehen, erfolgt eine vollständige Löslichkeit der Komponenten nur innerhalb eines stark begrenzten Konzentrationsbereich (meist nur wenige Prozent). Wird über diese Löslichkeitsgrenze hinaus legiert, so wird sich das „Zuviel“ an Legierungselementatomen B ausscheiden und einen eigenen Kristall im Gefüge bilden. Dieser Kristall kann dann wiederum teilweise Atome der Basiskomponente A enthalten. Man erhält für Einlagerungsmischkristalle deshalb nur eine Teillöslichkeit der Komponenten im festen Zustand.

Kristallgemischlegierung

Sind die Bedingungen für die Bildung eines Mischkristalls nicht erfüllt, so können die Legierungsatome B unter Umständen weder reguläre Gitterplätze noch Zwischengitterplätze einnehmen. Dies ist dann der Fall, wenn das Legierungselement B im Vergleich zum Basisstoff A

  • einen anderen Gittertyp oder
  • stark unterschiedliche chemische Eigenschaften besitzt.
Schematische Struktur der Komponenten eines Kristallgemischs
Abbildung: Schematische Struktur der Komponenten eines Kristallgemischs

Die Atome werden dann beim Erstarren praktisch aus dem jeweils anderen Gitter verdrängt und sind gezwungen eigene („reine“) Kristalle zu bilden. Jede Atomart bildet dann seine eigene Kristallstruktur, sodass im Wirtsgitter keine Legierungselementatome und im Legierungselementgitter keine Basisatome zu finden sind (vollkommene Unlöslichkeit der Komponenten im festen Zustand). Der Gefügeaufbau besteht aus einem Gemisch aus gänzlich unterschiedlichen Kristallen, was diesem Legierungstyp den Namen Kristallgemischlegierung verleiht.

Sind die Komponenten einer Legierung nicht ineinander löslich, so spricht man von einer Kristallgemischlegierung!

Schematisches Gefüge einer vollständigen Unlöslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand
Abbildung: Schematisches Gefüge einer vollständigen Unlöslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand

Der Begriff Kristallgemischlegierung ist nicht mit dem Begriff Mischkristalllegierung zu verwechseln!

Die Komponenten einer Kristallgemischlegierung verhalten sich im übertragenen Sinne letztlich also so wie ein Gemisch aus Wasser und Öl, deren Komponenten sich ebenfalls nicht mischen lassen – weder die Wasserteilchen in Öl, noch die Ölteilchen in Wasser.

Beachte, dass nur weil sich die Atome einer Kristallgemischlegierung nicht in einer gemeinsamen Gitterstruktur mischen lassen, dies nicht bedeutet, dass die Legierung weniger stabil als eine Mischkristalllegierung ist! Auch zwischen den Reinkristallen einer Kristallgemischlegierung wirken sehr hohe interatomare Kräfte, die den Zusammenhalt sichern.

In der Realität wird man eine reine Kristallgemischlegierung grundsätzlich nicht finden, da sich die Komponenten immer bis zu einem gewissen Grad mischen lassen und sei die Löslichkeit noch so gering. Bei dem Legierungssystem Bismut-Cadmium ist bspw. die Löslichkeit gering, dass einfachheitshalber von von einer vollkommenen Unlöslichkeit der Komponenten ausgegangen werden kann.

Kristallgemisch aus Mischkristallen

Eine vollkommene Löslichkeit (Mischkristall) bzw. vollkommene Unlöslichkeit der Komponenten (Kristallgemisch) stellen lediglich Spezialfälle dar. Im Allgemeinen sind die Komponenten weder vollkommen mischbar noch unmischbar.

In der Realität lässt sich eine Legierungskomponente B immer bis zu einem gewissen Grad in der Basiskomponente A lösen und umgekehrt. Man erhält also im Allgemeinen stets eine begrenzte Löslichkeit der Komponenten im festen Zustand.

Die Teillöslichkeit kann im übertragenen Sinne mit einem Wasser-Zucker-Gemisch vergleichen werden, bei der die Löslichkeit des Zuckers im Wasser ebenfalls begrenzt ist. Das Wasser kann nur bis zu einem gewissen Grad den Zucker darin lösen, der nichtgelöste Zucker wird sich schließlich absetzen.

Schematisches Gefüge einer teilweisen Löslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand
Abbildung: Schematisches Gefüge einer teilweisen Löslichkeit der beiden Komponenten im festen Zustand

In der Gitterstruktur der Basiskomponente A werden sich also bis zu einem gewissen Grad auch B-Atome wiederfinden. Je nach chemischen Eigenschaften können die B-Atome dabei entweder reguläre Gitterplätze im Wirtsgitter A einnehmen oder auch auf Zwischengitterplätze eingelagert werden. Es handelt es sich dann entweder um einen Substitutionsmischkristall oder um einen Einlagerungsmischkristall.

Ein solcher Mischkristall, der sich primär aus dem Wirtsgitter der Basiskomponente A aufbaut und lediglich geringe Mengen an Legierungselementatomen B enthält wird auch als \(\alpha\)-Mischkristall bezeichnet.

Umgekehrt wird bei sehr hohen Konzentrationen an B-Atomen das Gefüge hauptsächlich aus der Gitterstruktur der B-Atome bestehen, während sich darin geringe Mengen von A-Atome einlagern. In einem solchen Fall spricht man dann von einem \(\beta\)-Mischkristall .