Als Strömungswiderstand bezeichnet man die Widerstandskraft, die ein bewegter Körper in einem Fluid durch Reibungskräfte und Druckkräfte erfährt.
Einleitung
Im Artikel zu den Grenzschichten wurde am Beispiel einer umströmten Platte erläutert, dass innerhalb hydrodynamischen Grenzschicht Schubspannungen wirken. Diese führen zu einer Abbremsung des Fluids; unmittelbar an der Wand sogar bis zum Stillstand. Innerhalb der Grenzschicht bildet sich ein typisches Geschwindigkeitsprofil aus.
Nun drehen wir die Situation in Gedanken um. Anstelle das Fluid um die ruhende Platte strömen zu lassen, bewegen wir die Platte nun durch ein ruhendes Fluid. Aufgrund der wirkenden Schubspannungen ist in diesem Fall dann das Fluid versucht die Platte abzubremsen. Auf die dabei ablaufenden Vorgänge gehen wir in den folgenden Abschnitten näher ein.
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass es im Prinzip egal ist, ob es sich um ein ruhendes Objekt handelt, das von einem Fluid umströmt wird, oder um eine ruhendes Fluid, durch das ein Objekt hindurchbewegt wird. Man kann sich hierzu in Gedanken eine Kamera vorstellen, die fest am sich bewegenden Objekt montiert ist und dabei aufnimmt, wie sich das Objekt durch das ruhende Fluid bewegt. Betrachtet man das aufgenommene Video, so erhält man letztlich genau dieselbe Situation wie bei einem feststehenden Objekt, das von einem Fluid umströmt wird. Dass die beiden Sichtweisen identisch sind, nutzt man zum Beispiel in Windkanälen aus. Dort wird nicht das Modell eines Flugzeuges durch die ruhende Luft bewegt, sondern die Luft wird um das ruhende Modellflugzeug bewegt.
Reibungswiderstand (Schubspannungswiderstand)
Betrachten wir nun die angesprochene Platte, die sich mit konstanter Geschwindigkeit durch ein ruhendes Fluid bewegt. Auch dabei gilt zunächst wieder, dass aufgrund der Haftbedingung das Fluid unmittelbar an der Platte haftet. Die haftende Fluidschicht bewegt sich folglich mit der Platte mit. Diese Fluidschicht reibt aber gleichzeitig an der darüber befindlichen Fluidschicht. Somit wird die anhaftende Fluidschicht abgebremst und mit ihr die Platte selbst. Diese abbremsende Reibungskraft bezeichnet man im Falle von Luft als Luftwiderstand (wobei allerdings noch eine weitere abbremsende Kraft eine Rolle spielt, auf die wir später noch zu sprechen kommen).
Das Zustandekommen der Reibungskraft kann man auch wie folgt erklären. Die anhaftende Fluidschicht ist durch intermolekulare Kräfte mit der darüber befindlichen Fluidschicht verbunden. Bewegt man die Platte durch das Fluid so werden nach und nach die ganzen (zunächst ruhenden) Fluidschichten in Bewegung gesetzt. Diese Beschleunigung der Fluidschichten erfordert eine bestimmte Kraft. Diese ist kontinuierlich aufzubringen, da immer wieder neue Fluidschichten in Bewegung gesetzt werden müssen, wenn die Platte mit konstanter Geschwindigkeit durch das umgebende Fluid bewegt werden soll. Diese aufzubringende Kraft entspricht der besagten Reibungskraft in der Argumentation zuvor – es ist nur eine andere Sichtweise.
Wandschubspannung
Für die Reibungskraft, die die Platte durch das Fluid erfährt, sind die Schubspannungen unmittelbar an der Wand entscheidend. Denn sie geben letztlich die tangential wirkende Kraft an, die pro Flächeneinheit zwischen Fluid und fester Oberfläche wirkt. Man spricht in diesem Fall auch von der Wandschubspannung. Die Reibungskraft wird deshalb auch als Schubspannungswiderstand bezeichnet. Die Wandschubspannung τw kann für newtonsche Fluide mithilfe des Newtonschen Reibungsgesetzes bestimmt werden:
\begin{align}
&\boxed{\tau_w = \eta \cdot \left(\frac{\partial v_x}{\partial y}\right)_\text{Wand}}
\end{align}
Neben der Viskosität des Fluids η ist offensichtlich der unmittelbar an der Wand vorhandene Geschwindigkeitsgradient der Strömung ∂v/∂y|Wand von großer Bedeutung. Der Gradient wird vor allem durch die die Vorgänge innerhalb der Grenzschicht bestimmt. Dabei ist wiederum entscheidend, ob es sich um eine laminare oder turbulente Grenzschicht handelt. Die untere Abbildung zeigt hierzu die Umströmung einer Platte, bei der die laminare Strömung nach eine kurzen Übergangsphase instabil und damit turbulent wird.
Der Reibungswiderstand eines umströmten Körpers ist eine Folge der Viskosität des Fluids und der damit verbundenen Wandschubspannung. Der Reibungswiderstand wird deshalb auch als Schubspannungswiderstand bezeichnet!
Einfluss der Strömungsart auf die Wandschubspannung
Im Artikel zu den Grenzschichten wurde hierzu bereits ausführlich erläutert, dass das Geschwindigkeitsprofil bei turbulenten Grenzschichten steiler ansteigt, da Turbulenzen zu einem erhöhten Impulsaustausch zwischen den Fluidschichten führen. Dies bedeutet insbesondere, dass der Geschwindigkeitsgradient an der Wand größer ist als bei einer laminaren Strömung. Die untere Abbildung zeigt hierzu das Geschwindigkeitsprofil in der laminaren Strömung und im Vergleich hierzu in der turbulenten Strömung.
Aufgrund der größeren Geschwindigkeitsgradienten wirken bei turbulenten Grenzschichten folglich höhere Wandschubspannungen. Diese höheren Schubspannungen bedeuten letztlich höhere Reibungswiderstände. Beachte, dass sich auch bei einer turbulenten Grenzschicht eine laminare Unterschicht direkt an der Wand bildet, die sogenannte viskose Unterschicht. Das Newton’sche Reibungsgesetz bleibt also auch im Falle einer turbulenten Grenzschicht weiterhin gültig; zumindest unmittelbar an der Wand.
Turbulente Grenzschichten weisen größere Geschwindigkeitsgradienten an der Wand auf, was aufgrund der laminaren Unterschicht zu einer höheren Wandschubspannung führt (höherer Reibungswiderstand)!
Die erhöhten Reibungswerte durch turbulente Strömungen versucht man bspw. bei Autos gezielt zu verhindern, indem man Turbulenzen weitestgehend vermeidet und die Karosserie deshalb möglichst stromlinienförmig und die Oberfläche relativ glatt gestaltet.
Druckwiderstand (Formwiderstand)
Bei stromlinienförmig gestalteten Körpern, ist nahezu die gesamte Widerstandskraft auf die Reibungskraft bzw. auf die Wandschubspannungen zwischen Fluid und Wand zurückzuführen. Tatsächlich nimmt aber auch noch ein weiteres Phänomen Einfluss auf die Widerstandskraft. So ist bspw. der Druck im Fluid vor der Platte nicht notwendigerweise derselbe wie hinter der Platte. Es existieren im Allgemeinen Druckunterschiede. Wie kommt es dazu?
Betrachten wir hierzu das Umströmen des Fluids um die Platte. Vor der Platte ist der Druck im Allgemeinen größer, da das Fluid dort aufgestaut wird. Man spricht deshalb auch von einem sogenannten Staupunkt. Ein Staupunkt zeichnet sich dadurch aus, dass das Fluid senkrecht auf die Oberfläche trifft und dabei theoretisch auf null abgebremst wird.
Aufgrund der Wärmebewegung bleibt das Fluidteilchen im Staupunkt natürlich nicht wirklich regungslos an Ort und Stelle. Vielmehr wird es früher oder später aus dem Staupunkt diffundieren und durch die umgebenden Fluidschichten wieder mitgerissen und damit beschleunigt werden. Zudem ist der Staupunkt ein einzelner Punkt ohne Ausdehnung, während die Fluidteilchen eine räumliche Ausdehnung besitzen. Die Fluidteilchen können sich also gar nicht exakt in diesem Punkt befinden, um tatsächlich vollständig auf null abgebremst zu werden.
Betrachten wir die Situation nun einmal aus energetischer Sicht. Die kinetische Energie des Fluids hat sich im Staupunkt vollständig in Druckenergie umgewandelt (siehe hierzu auch den Artikel Bernoulli-Gleichung). Genauer gesagt: Der dynamische Druck der Strömung wandelt sich in zusätzlichen statischen Druck um. Die hieraus resultierende Druckerhöhung wird auch als Staudruck bezeichnet. Der Staudruck entspricht also gerade dem dynamischen Druck der ungestörten Strömung.
Als Staupunkt bezeichnet man jenen Punkt in einem Strömungsfeld, in dem das Fluid theoretisch senkrecht auf einen Gegenstand tritt auf dabei null abgebremst wird. Die hieraus resultierende Druckerhöhung wird Staudruck genannt; sie ist eine Folge der Umwandlung von kinetischer Energie in Druckenergie und entspricht somit dem dynamischen Druck der ungestörten Strömung.
Nachdem das Fluid unter Erhöhung des statischen Drucks im Staupunkt abgebremste wurde, wird es anschließend um die Platte gelenkt. Dabei beschleunigt es und Druckenergie wandelt sich nun wieder in kinetische Energie um. In der Folge nimmt der statische Druck wieder ab, sodass dieser Druck hinter der Platte geringer ist als vor der Platte.
Der größere statische Druck vor der Platte ist also versucht, die Platte mit der Strömungsbewegung nach hinten zu drücken. Zusätzlich zum Reibungswiderstand, macht sich dies als weitere Widerstandskraft bemerkbar. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Druckwiderstand. Der Druckwiderstand wird maßgeblich durch die Form des umströmten Körpers beeinflusst, da die Form Auswirkungen auf die Geschwindigkeit (kinetische Energie) der Strömung hat und damit die Druckverteilung um den Körper bestimmt.
Der Druckwiderstand (Formwiderstand) eines umströmten Körpers ist eine Folge der unterschiedlichen statischen Drücke, die durch unterschiedliche Geschwindigkeiten des Fluids verursacht werden.
Beachte, dass die im Abschnitt zuvor angesprochenen Reibungswiderstände letztlich auf Schubspannungen zurückzuführen sind (Schubspannungswiderstand), während die Druckwiderstände senkrecht zur Fläche und damit als Normalspannungen wirken (Normalspannungswiderstand). Für die Widerstandskraft ist im Falle des Reibungswiderstandes also die Kraft parallel zur Fläche entscheidend und im Falle des Druckwiderstandes die Kraft senkrecht zur Fläche.
Zur analytischen Bestimmung des Druckwiderstandes für beliebig geformter Körper, muss die Druckverteilung über die gesamte Oberfläche betrachtet werden und nicht mehr nur der Druck vor und hinter dem Objekt. Analog gilt dies auch für den Reibungswiderstand, zu dessen Bestimmung die Verteilung des Geschwindigkeitsgradienten über die gesamte Oberfläche betrachtet werden muss.
Beeinflussung zwischen Außenströmung und Grenzschicht
Für den Druckwiderstand ist der statische Druck maßgebend, der an der Oberfläche des umströmten Körpers angreift. Die ungestörte Außenströmung prägt der Grenzschicht dabei ihren statischen Druck auf! In vertikaler Richtung zur Platte ist der (statische) Druckgradient deshalb in guter Näherung null (∂p/∂y=0), d.h. der Druck ändert sich innerhalb der Grenzschicht in y-Richtung (fast) nicht. Grenzschicht und Außenströmung beeinflussen sich somit als gegenseitig. Die Grenzschicht dadurch, dass sie den Außenströmung sozusagen verdrängt.
Die Strömung in der Grenzschicht verdrängt die Außenströmung. Umgekehrt prägt die Außenströmung der Grenzschicht ihren (statischen) Druck auf und beeinflusst somit deren Verlauf!
Strömungswiderstand
Ein umströmter Körper erfährt also eine Widerstandskraft, die zwei Ursachen hat. Zum einen wirken Reibungskräfte infolge der Viskosität und zum anderen wirken Druckkräfte infolge unterschiedlicher Strömungsgeschwindigkeiten. Beide Widerstände zusammen, d.h. Reibungswiderstand und Druckwiderstand, bilden schließlich den sogenannten Strömungswiderstand eines Körpers. Er kann durch entsprechende Integration (unter Berücksichtigung der Wirkrichtung) ermittelt werden.
Der Strömungswiderstand eines Körpers setzt sich im Allgemeinen zusammen aus dem Reibungswiderstand (Schubspannungswiderstand) und dem Druckwiderstand (Normalspannungswiderstand)!
Um den Druckwiderstand so gering wie möglich zu halten, muss man also insbesondere eine Aufstauung des Fluids an der Körperoberfläche verhindern. Dies erreicht man durch eine möglichst stromlinienförmig gestaltete Körperform. Der Strömungswiderstand ist damit insgesamt geringer, und hauptsächlich auf den Reibungswiderstand zurückzuführen.
Umso stromlinienförmiger ein Körper geformt ist, umso geringer ist der Einfluss des Druckwiderstandes und umso größer der Einfluss des Schubspannungswiderstandes.
Beachte, dass grundsätzlich jede Form der Energiedissipation eine Abnahme des Drucks zur Folge hat (siehe auch Bernoulli-Gleichung). Sobald also Reibungskräfte wirken, lassen sich Druckwiderstände nie vermeiden. Besonders bedeutsam ist dies bei turbulenten Strömungen oder bei Verwirbelungen, die unmittelbar hinter einem Hindernis entstehen. Solche Turbulenzen bedeuten eine hohe Energiedissipation und damit eine starke Absenkung des Drucks. Der Druckwiderstand wächst in diesen Fällen stark an.
Wie in der Strömungsmechanik üblich, führt man auch an dieser Stelle wieder dimensionslose Ähnlichkeitskenngrößen ein, um Reibungswiderstand, Druckwiderstand und Strömungswiderstand unabhängig der Größe des betrachteten Systems zu beschreiben. Auf diese Weise lassen sich dann bspw. an Hand von verkleinerten Modellen im Windkanal wieder Rückschlüsse auf das reale System ziehen. Diese dimensionslosen Kennzahlen werden Widerstandsbeiwerte genannt. Im verlinkten Artikel wird hierauf näher eingegangen.