Die Erstarrung einer Schmelze beginnt ausgehend von Keimen, sodass es dabei zu dem typischen körnigen Gefügeaufbau kommt.
Polykristall
Ein metallischer Werkstoff besitzt im Allgemeinen keine einheitliche Gitterausrichtung (siehe Gitterdefekte). Ausnahme hiervon bilden Einkristalle, die jedoch nur unter hohem technischem Aufwand herstellbar sind (später hierzu mehr).
In der Regel weisen Metalle sehr viele kleine Bereiche auf, wobei sich von Bereich zu Bereich die Orientierung des Gitters ändert (Der Begriff Gitterorientierung darf dabei nicht mit dem Begriff Gitterstruktur verwechselt werden!). Diese Zonen konstanter Gitterausrichtung werden Körner oder Kristallite genannt. Die unterschiedlichen Körner grenzen sich durch relativ strukturlose Bereiche voneinander ab, die nur wenige Atomabstände breit sind. Diese werden als Korngrenzen bezeichnet.
Körner (Kristallite) sind kleinere Bereiche innerhalb eines kristallinen Stoffes, die eine einheitliche Gitterausrichtung aufweisen. Einzelne Körner sind durch Korngrenzen voneinander getrennt!
Die obere abgebildete lichtmikroskopische Aufnahme zeigt Weicheisen im nahezu kohlenstofffreien Zustand. Zu sehen sind die einzelnen Körner (weiße Bereiche) mit ihren Korngrenzen und Silikateinschlüsse (dunkle Punkte).
Man bezeichnet einen solchen mikroskopisch sichtbaren Aufbau im Inneren eines Werkstoffes mit seinen Körnern, Korngrenzen, Ausscheidungen, etc. auch als Gefüge.
Als Gefüge bezeichnet man den mikroskopischen Aufbau eines Stoffes!
Im sogenannten Schliffbild kann das Gefüge unter einem Mikroskop betrachtet werden (siehe Abbildung oben). Hierzu muss die Probe in den meisten Fällen jedoch speziell präpariert werden. Insbesondere durch polieren und ätzen (z.B. mit alkoholischer Salpetersäure). Da mit der unterschiedlichen Gitterausrichtung der Körner auch ein unterschiedliches Reflexionsverhalten einhergeht, werden diese unter einem Mikroskop deutlich voneinander unterscheidbar. Ein solcher Kristall der sich durch viele kleine Kristallite (Körner) auszeichnet, wird auch als Polykristall bezeichnet.
In machen Fällen, z.B. bei einer polykristallinen Silizium-Solarzelle oder einem verzinkten Stahlblech sind die einzelnen Körner sogar mit bloßem Auge sichtbar. Die untere Abbildung zeigt hierzu ein verzinktes Bauteil aus Stahl und polykristallines Silizium einer Solarzelle.
Häufig ist es zweckmäßig ein Schliffbild nur schematisch zu zeichnen, um den wesentlichen Gefügeaufbau sichtbar zu machen. Die untere Abbildung zeigt das schematische Gefügebild eines polykristallinen Werkstoffes.
Erstarrungsprozess
Ein körniger Gefügeaufbau wie er im oberen Schliffbild zu sehen ist, ist typisch für Metalle. Die Ursache hierfür liegt im Erstarrungprozess begründet. Flüssige Metallschmelzen beginnen in der Regel nicht in einem einzigen Punkt zu erstarren. Vielmehr setzt der Erstarrungsvorgang an vielen Punkten der Schmelze gleichzeitig ein. Solche Erstarrungspunkte werden im Allgemein auch als Keime bezeichnet. Die Bildung der Kristallstruktur wird auch Kristallisation genannt.
Der Erstarrungsvorgang bei kristallinen Stoffen wird auch als Kristallisation bezeichnet!
Während der Erstarrung bildet sich an jedem Keim die für das Metall typische Gitterstruktur. Die räumliche Ausrichtung der Gitter ist dabei von Keim zu Keim anders, je nachdem wie der Keim in der Schmelze liegt. Aus jedem Keim wird später ein Korn mit einer einheitlichen Gitterorientierung. Dort wo dann die Körner nach der Erstarrung aneinander stoßen, entstehen die Korngrenzen.
Korngrenzen zählen zu den zweidimensionalen Gitterfehlern, da diese die einheitliche Gitterausrichtung stören. Dies muss allerdings kein Nachteil sein, wie man vorschnell aus der Bezeichnung „Fehler“ ziehen könnte. Korngrenzen tragen sogar im besonderen Maße dazu bei die Festigkeit zu steigern (Korngrenzenverfestigung), da an den Korngrenzen der Verformungsmechanismus blockiert wird. Feinkörnige Metalle mit vielen Korngrenzen zeichnen sich somit durch eine relativ hohe Festigkeit bei gleichzeitig guter Zähigkeit aus.
Feinkörnige Gefüge besitzen in der Regel eine gute Zähigkeit bei gleichzeitig hoher Festigkeit!
Es stellt sich deshalb die Frage auf welche Weise man das Gefüge eines Metalls dahingehend beeinflussen kann, sodass viele Körner im Gefüge entstehen. Um diese Frage zu klären, muss der Erstarrungsprozess genauer betrachtet werden. Deshalb werden in einem separaten Beitrag die Erstarrungsbedingungen näher behandelt.
Monokristall (Einkristall)
Im Gegensatz zu einem Polykristall besteht ein Monokristall hingegen nur aus einem einzigen Korn. Auf atomarer Ebene zeichnet sich ein solcher Einkristall also durch eine einheitliche Gitterausrichtung aus. Dies bedeutet insbesondere, dass der Werkstoff keinerlei Korngrenzen aufweist.
Ein Einkristall besteht aus nur einem einzigen Korn mit einer bestimmten räumlichen Gitterausrichtungen!
Einkristalle können durch bestimmte Verfahren aus der Schmelze heraus speziell gezüchtet werden. Dabei wird der Erstarrungsprozess nicht wie sonst üblich an vielen Stellen gleichzeitig eingeleitet sondern nur an einem einzigen Punkt ausgelöst (an einem sogenannten Impfkristall). Die Schmelze erstarrt dann mit einer einheitlichen Gitterausrichtung.
Ein solches Prinzip kommt zum Beispiel als sogenanntes Czochralski-Verfahren bei der Chipherstellung in der Halbleitertechnik zum Einsatz. Dort werden Einkristalle benötigt, damit die Stromleitfähigkeit nicht durch Korngrenzen oder andere Gitterausrichtungen negativ beeinflusst wird.
Aber auch als Konstruktionswerkstoff werden Einkristalle in speziellen Fällen eingesetzt. Zum Beispiel bei hochfesten Turbinenschaufeln (Nickel-Superlegierung) im Hochtemperaturbereich. Denn gerade bei Hochtemperaturanwendungen hat ein polykristalliner Werkstoff den Nachteil, dass sich die Korngrenzen oberhalb der Rekristallisationstemperatur zu verschieben beginnen (Korngrenzengleiten genannt). Der Werkstoff weicht sozusagen auf. Um dieses Aufweichen zu verhindern, darf ein Hochtemperaturwerkstoff folglich keine Korngrenzen aufweisen.